Datum: 
22.08.2015
Kategorie: 

Der Begriff „Sunna“ hat drei verschiedene Bedeutungen, welche oft von Muslimen durcheinander gebracht werden, wenn der Begriff in Diskussionen erwähnt wird.

Beantwortet von Schaykh Nūḥ Ḥā Mīm Keller

Die erste Bedeutung des Wortes „Sunna“ besteht im Kontext von schariarechtlichen Urteilen, in welchen „Sunna“ ein Synonym für „mandūb“ oder auch „empfohlen“ darstellt. Es ist also etwas, wofür man im nächsten Leben für die Ausübung eine Belohnung erhält, etwa durch das Benutzen von Miswāk für das Zähneputzen vor dem Gebet, jedoch wird man für die Unterlassung dessen nicht bestraft. Man könnte sie in diesem Kontext mit wāǧib oder „verpflichtend“ entgegenstellen; Man meint damit also etwas, wofür man im nächsten Leben für die Ausführung belohnt wird, etwa für die Durchführung der auferlegten Gebete, und ebenso für die Unterlassung bestraft wird. Die Sunna befindet sich in diesem Sinne nach wāǧib oder "Pflicht"auf der zweiten Stufe jener Dinge, welche Allah von uns verlangt.

Eine zweite Bedeutung der Sunna wird im Kontext der Identifizierung schriftlicher Quellen beschrieben, nämlich wenn beispielsweise al-kitāb, also der Koran, der Sunna, also dem Hadith, entgegengesetzt wird. In diesem Sinne stellt Sunna grundsätzlich ein Synonym für Hadith dar und wird zur Unterscheidung des eigenen Quellenbelegs von dem des Koran gebraucht. Es sollte beachtet werden, dass dies eine erheblich unterschiedliche Bedeutung zur oben erwähnten Bedeutung des Begriffs „Sunna“ aufzeigt, auch wenn die Leute manchmal diese beiden miteinander vermischen und dabei glauben, dass der Koran das Verpflichtende bestimmt, während die Hadithe lediglich die Sunnah oder das Empfohlene festlegen. Dabei sind die Regelungen beider Arten sowohl im Koran als auch in den Hadithen zu finden.

Eine dritte Bedeutung der Sunna veranschaulicht den Weg des Propheten – möge Allah mit ihm zufrieden sein – welche in seinen Aussagen, Handlungen und edlen Zuständen des Herzens verkörpert wird, zusammen mit seinen Billigungen (entweder durch explizite Bestätigung oder durch das schweigsame Billigen), sowie jenen Dingen, welche er beabsichtigte, jedoch nicht die Möglichkeit dafür bekam, etwa das Fasten am neunten Tag des Muḥarram (taswa). Hier schildert die Sunna ganz einfach den Weg des Propheten – möge Allah mit ihm barmherzig sein – und ist nicht mit einer der beiden bereits erwähnten Bedeutungen zu verwechseln. Im Gegensatz zur ersten Bedeutung beinhaltet seine Sunna bzw. sein Weg nicht nur das Empfohlene, sondern eher die ganze Scharia und das gesamte Spektrum ihrer Gesetze, ob nun verpflichtend (wāǧib), empfohlen (sunnah), erlaubt (mubāḥ), die Vermeidung des Verpönten (makrūh) oder verboten (haram). Und im Unterschied zur zweiten Bedeutung ist seine Sunna bzw. sein Weg – möge Allah mit ihm zufrieden sein – nicht nur in den Hadithen beinhaltet, sondern an erster Stelle im Koran. So sagte ʿĀʾischa – Allahs Wohlgefallen sei mit ihr – in einem Hadith in Ṣaḥīḥ al-bukhārī: „Sein Charakter war der Koran.“

Die Verwirrung und der Widerstand, welche oftmals entstehen, wenn Muslime über die Sunna diskutieren, könnte eventuell vermieden werden, wenn diese Unterschiede klar wären.

 

Originalquelle: http://www.masud.co.uk/ISLAM/nuh/hadith.htm