
Schwache Hadithe in Ṣaḥīḥ al-Bukhārī?
Frage: Schwache Hadithe in Ṣaḥīḥ al-Bukhārī
Beantwortet von Schaikh Gibril Haddad:
Ibrahim ibn Maʿqil sagte: „Ich hörte Muhammad ibn Ismāʿīl al-Bukhārī sagen: ‚Ich war mit Isḥāq ibn Rāhūya, als ein Mann sagte: ‚Wieso stellst du nicht ein Werk über den prophetischen Weg zusammen?‘ Dies ist in meinem Kopf geblieben und war der Grund, warum ich dieses Buch verfasst habe (das Ṣaḥīḥ-Werk).‘“
Adh-Dhahabī sagte: „Es ist über zwei starke Überlieferungswege erzählt worden, dass al-Bukhārī sagte: ‚Ich verfasste dieses Buch aus etwa 600.000 Überlieferungen, schrieb es über sechzehn Jahre lang und machte es zu einem Beweis für das, was zwischen mir und Allah ist.‘“
Al-Firabrī sagte: „Muhammad ibn Ismāʿīl sagte zu mir: ‚Ich habe niemals eine Überlieferung in das Ṣaḥīḥ einbezogen, ohne zuvor eine große Waschung (ghusl) zu machen und zwei rak‘āt zu beten.‘“
An-Nawawī sagte: „Die Gelehrten sind sich einig, dass die höchst authentischen aller Hadith-Sammlungen die zwei Ṣaḥīḥ-Sammlungen von al- Bukhārī und von Muslim sind, und die überwältigende Mehrheit ist sich einig, dass das verlässlichere und nützlichere der beiden Werke jenes von al-Bukhārī ist.“
Er setzte fort: „Die Gesamtheit der Überlieferungen beträgt 7275 mit Wiederholungen und ungefähr 4000 ohne.“
In seinem Kitāb al-tatabbuʿ argumentiert al-Dāraquṭnī über die Schwäche von 78 Überlieferungen in al-Bukhārī, 100 in Muslim, und 32 in beiden basierend auf der Kritik am isnād (Überlieferungskette) und am matn (überlieferter Text).
An-Nawawī sagte: „Die zwei Ṣaḥīḥ (ṣaḥīḥain) unterscheiden sich von allen anderen Büchern nur in Bezug darauf, dass ihr Inhalt ṣaḥīḥ ist und keiner weiterer Überprüfung unterliegt.“
Ibn al-Ṣalāḥ sagte: „Alles was nur al-Bukhārī oder nur Muslim überliefert, befindet sich (auch) in der Kategorie dessen, was definitiv als ṣaḥīḥ gilt, mit Ausnahme einiger weniger Berichte, gegen welche von einigen Experten Einsprüche erhoben wurden – beispielsweise al-Dāraquṭnī und andere – und diese sind unter den Spezialisten bekannt.“
Er sagte das, nachdem er darlegte, dass jenes, worüber sich die Gelehrten einig sind, als „definitiv ṣaḥīḥ“ (maqṭūʿun bi-ṣiḥḥatihī) für die Umma gilt. Imam an-Nawawī lehnte den Begriff „definitiv ṣaḥīḥ“ ab und gab indessen allem, was in den ṣaḥīḥayn ist, die Stufe „stark angenommen (ṣaḥīḥ) solange es nicht mutawātir ist“ (yufīdu al-ẓanna mā lam yatawātar), so wie es bei allen ṣaḥīḥ einzeln überlieferten (aḥad) Hadithen gilt.
Ibn Kathīr hingegen war hier anderer Meinung: „Ich stimme mit Ibn al-Ṣalāḥ in seiner Schlussfolgerung und seinen Richtlinien überein und Allah weiß es am besten.“
As-Suyūṭī zitiert Ibn Kathīr in Tadrīb al-rāwī wörtlich und behauptet: „Und das ist auch meine Meinung und keine andere.“ Dem ist so aufgrund des Standes der ṣaḥīḥain in der Umma und weil keiner der früheren Imame im Islam jemals alles, was er in seinen jeweiligen Büchern gesammelt hat, ausdrücklich und mit Recht als ṣaḥīḥ erklärt hat – mit Ausnahme von al-Bukhārī und Muslim, wobei die prüfenden Experten ihre Behauptungen bestätigt haben.
As-Suyūṭī sagte außerdem: „Schaikh al-Islam sagte: ‚Was An-Nawawī in Scharḥ ṣaḥīḥ Muslim erwähnt, basiert auf der Ansicht der Mehrheit: was aber nicht für alle der prüfenden Autoritäten (al-muḥaqqiqūn) gilt. Denn die prüfenden Autoritäten stimmten Ibn al-Ṣalāḥ zu.‘“
Mit „Schaikh al-Islam“ meint as-Suyūṭī den mustergültigen Hafis und tadellosen Imam Ibn Ḥaǧar al-‘Asqalānī und sein Buch al-Nukat ‘alā ibn al-Ṣalāḥ. As-Suyūṭī geht bei seinen Angaben weiter ins Detail der Widerlegung von Ibn Ḥaǧar zu al-Dāraquṭnīs Kritik und zeigt eigentlich, dass Letzterer daran scheitert, die Ansicht, dass die beiden Saḥīḥ-Werke vollständig ṣaḥīḥ sind, zu entkräften.
Die Wahrheit ist, dass sie alle ṣaḥīḥ sind, aber nicht jede Überlieferung den höchsten ṣaḥīḥ-Grad erreicht. Das ist die Schlussfolgerung, die adh-Dhahabī bezüglich der wenigen Überlieferungen aus den ṣaḥīḥain zieht, deren Authentizitätsgrad fraglich war. „Keine Überlieferung ist unter dem Rang von ḥasan anzusiedeln, welchen wir auch als den untersten Rang von ṣaḥīḥ bezeichnen könnten.“
Schaikh Abū Ghudda kommentiert am Rand: „Das ist eine eindeutige Bestätigung, dass sich al-Bukhārī und Muslim bezüglich der Überlieferungen in ihren Büchern nicht selbst einschränkten, nur Hadithe mit dem höchsten Grad an Authentizität (ṣiḥḥa) zu überliefern.“
Und wieder erklärt er in seinem Appendix (S. 144): „Unser Schaikh, ‘Allāma Aḥmad Schākir – Möge Allah ihm barmherzig sein – sagte: ‚Die Wahrheit ohne jeden Zweifel unter den Prüfern, die Wissen zu den Hadithwissenschaften besitzen, ist, dass die Hadithe aus den zwei Ṣaḥīḥ-Werken alle authentisch sind und nicht ein einziger davon Grund für eine echte [hadithwissenschaftliche] Schmälerung oder Schwäche ist. Was al-Dāraquṭnī und andere kritisiert haben, war bloß, dass es nicht den hohen Kriterien entspricht, die beide in ihren Büchern definiert haben. Dem Kriterium der Authentizität der Hadithe in ihnen wurden beide gerecht.‘“
Auch Dr. Badī‘ al-Saiyid al-Laḥḥām beendet die Diskussion in seiner Ausgabe von Ibn Kathīrs al-Ba‘ith al-hathith (S. 44-45) über das Thema der ṣaḥīḥain mit denselben Worten, aber ohne sie Schākir zuzuschreiben. Abū Ghudda schlussfolgert (S. 145): „All diese Texte zeigen, dass das Meiste, was in Ṣaḥīḥ al-Bukhārī und Ṣaḥīḥ Muslim ist, von höchstem ṣaḥīḥ-Grad ist, und nur einiges davon nicht dem höchsten ṣaḥīḥ-Grad entspricht.“
Mehr zu diesem Punkt sagte unser Lehrer Dr. Nūr al-Dīn ‘Itr in seinem Handbuch Manhaǧ al-naqd fī ‘ulūm al-ḥadīṯ: „Bezüglich der Hadithe aus den ṣaḥīḥain ist zu sagen, dass sie alle ṣaḥīḥ sind.”
Alle zuvor genannten Gelehrten – Ibn al-Ṣalāḥ, an-Nawawī, adh-Dhahabī, Ibn Kathīr, Ibn Ḥaǧar, as-Suyūṭī, Ahmad Schākir, Abū Ghudda, ‘Itr, al-Laḥḥām – sind sich einig in der Aussage, dass alles in al-Bukhārī und Muslim ṣaḥīḥ ist.
Mit Ausnahme von an-Nawawīs korrekt bestätigter Abweichung betrachten die prüfenden Autoritäten (muḥaqqiqūn) wie Ibn al-Ṣalāḥ, Ibn Kathīr, Ibn Ḥaǧar und as-Suyūṭī alle darin enthaltenen Hadithe als so stark, dass sie dieselbe Beweiskraft wie mutawātir-Hadithe haben.
Eine weitere Prüfung der Aussagen der großen Hadithgelehrten würde nur noch mehr Namen zu dieser bedeutenden Liste hinzufügen.
Fragen, die in diese Zusammenhang oft gestellt werden, lauten:
(1) ob alle Gelehrten des Hadith übereinstimmen, dass alle Hadithe in al-Bukhārī und Muslim ṣaḥīḥ sind
oder
(2) ob es Gelehrte gibt, die es für möglich halten, dass darin einige schwache Überlieferungen enthalten sind
und
(3) ob jemand, der glaubt, dass die ṣaḥīḥain nicht zu 100 % ṣaḥīḥ sind, ein Erneuerer (mubtadi‘) ist.
Wie bereits gezeigt, beantworteten einige der größten Hadithgelehrten wie Ibn al-Ṣalāḥ, Ibn Kathīr und as-Suyūṭī die erste Frage mit Ja….
Aber Imam al-Dāraquṭnī sagte, dass eine kleine Anzahl der Hadithe nicht diese hohe Stufe erreichen könnte, sodass die Antwort zur zweiten Frage auch Ja lauten muss. Dennoch wurde ein Einwand (gegen die Authentizität der beiden Ṣaḥīḥ-Werke) nach dem anderen von Ibn Ḥaǧar zu Beginn seines Werkes Fatḥ al-bārī und von Imam an-Nawawī zu Beginn seines Scharḥ ṣaḥīḥ Muslim widerlegt.
Die kurze Darlegung, ob die ṣaḥīḥain zu 100 % ṣaḥīḥ sind oder nicht, bleibt heikel und verwirrend; die Umma war im Großen und Ganzen – durch den Konsens der Rechtsgelehrten in vielen aufeinanderfolgenden Generationen – in Sicherheit darüber, dass sie es sind.
Diese Schlussfolgerung schließt aber die ohne oder mit lückenhaften Ketten überlieferten Aussagen aus, sowie Aussagen ohne Quellenangabe, die manchmal von al-Bukhārī in seinen Kapitelüberschriften oder im Anhang zu gewissen Überlieferungen angeführt wurden. (…)
Die obige Aussage bestärkt die Position, dass die Aussage „alles, was in den beiden Ṣaḥīḥ-Werken zu finden ist, ist auch stark authentisch“ nur für Berichte mit vollständigen Überlieferungsketten gilt, die eindeutig dem Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Heil – zugeschrieben wurden.
Quelle: livingislam.org