Datum: 
23.02.2016

Meine Eltern halten mich vom Praktizieren der Religion ab: Was soll ich tun?

Beantwortet von Abdullah Anik Misra

FRAGE: Ich finde es schwierig den Islam zu praktizieren, denn jedes Mal wenn ich die Absicht habe Gutes zu tun, werde ich daran gehindert. Ich wollte den Niqāb (Gesichtsschleier) tragen, doch meine Eltern waren darüber nicht glücklich, also habe ich deswegen und anderen Gründen damit aufgehört. Ich wollte Halaqas (religiöse Versammlungen) aufsuchen, aber mein Vater mag es nicht wenn ich dort hingehe, also bleibe ich zuhause. Meine Eltern, insbesondere meine Mutter, behandeln mich ungerecht und beschweren sich bei Gästen über mich, obwohl ich nichts Falsches getan habe. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie mich hasst und ich wundere mich dann, warum sie mich überhaupt zur Welt gebracht hat. Der einzige Grund warum ich ihr gehorche, ist für Allāh, aber manchmal wird es mir zu viel und ich erhebe meine Stimme und schreie sie an. Ich weiß, dass das sehr beschämend ist, doch ich kann meine Wut zu diesem Zeitpunkt einfach nicht kontrollieren. Bitte geben Sie mir einen Ratschlag, sagen Sie was ich tun soll!

ANTWORT: As salamu alaikum wa rahmatullahi wa barakatuhu.

Jazak Allāhu khairan für Ihre Frage. Ich halte es für angemessen mit den Worten unseres geliebten Propheten (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) zu beginnen:

“Wahrlich, Taten werden nach ihren Absichten gemessen, und jede Person bekommt das was ihr zusteht….”(vgl. Al Bukhari, al Sahih).

Es ist sehr lobenswert zu sehen, dass Sie hohe Bestrebungen haben und einen starken Willen, Ihren Dīn (isl. Religion) zu verbessern und Gutes zu tun. Beides, Mäßigung und Wissen, sind sehr lobenswert. Jedoch gilt in diesen Situationen, auch wenn Sie es vielleicht nicht in Ihrer Ausübung des Islam realisiert haben, was der Prophet (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) gesagt hat: “Wenn jemand beabsichtigt etwas Gutes zu tun und daran gehindert wird, so ist es bei Allāh so, als ob er die volle Tat begangen hat...” (vgl. Al Bukhari, al Sahih).

Die Essenz unseres Handelns ist nicht ihre Erfüllung oder Verwirklichung, weil dies nicht in unseren Händen liegt, viel mehr ist das Geheimnis unseres Tuns und ihre Annahme in der Absicht, die wir dahinter haben. Das Endergebnis ist immer in Allāhs Händen allein. Wenn es einmal so ist, dass Sie versuchen Gutes zu tun und ihr Bestes geben, und aus welchen Gründen auch immer dies nicht passiert, dann sollten Sie nicht das Gefühl haben, dass ihr Islam mangelhaft ist.

 

Wenn Eltern einen an der Ausübung von Aspekten des Dīn hindern

Es kann erschütternd sein, wenn man versucht etwas zu tun, das nach eigenem Ermessen wichtig für den Glauben ist, und die Eltern hindern einen dabei. Als grobe Grundregel gilt jedoch: Wenn sie von Ihnen nicht etwas verlangen das verboten (ḥarām) ist oder Sie vom Verpflichtenden (Farḍ) abhalten, dann sollten Sie geduldig sein und versuchen, ihnen zuzuhören. Wenn sie von Ihnen etwas verlangen das verboten oder verpönt ist, oder wenn Sie an Ihren verpflichtenden Handlungen oder der Sunna gehindert werden, dann sind Sie nicht verpflichtet ihnen zu folgen. In anderen Fällen als diesen, oder wenn sich über eine Handlung die verschiedenen Rechtsschulen uneins sind, kann mehr Lohn darin liegen, den Anforderungen der Eltern zu folgen und die Absicht rein zu halten, um dann Gutes zu tun wenn man kann, als mit ihnen zu streiten und sie zu missachten, um den eigenen Entschluss zu vollziehen, nur um etwas zu erreichen, das empfohlen ist oder worüber Uneinigkeit herrscht.

In Bezug auf den Niqāb sind Ihre Bestrebungen lobenswert, die Verpflichtung dazu unter den Rechtsschulen ist jedoch umstritten. In der gegenwärtigen Zeit herrscht unter den zeitgemäßen Gelehrten die Auffassung, dass es gute Gründe dafür gibt, der Ansicht Ihrer Eltern zu folgen.

Was das Lernen angeht, so ist es lobenswert, dass Sie Begeisterung dafür haben Wissen zu erlangen und Halaqas zu besuchen. Jedoch sollten Sie diesbezüglich Ihre Eltern nicht missachten, denn das Lobenswerte wird nicht durch tadelnswerte Handlungen erreicht. Alḥamdulillāh, sehr oft wenn man Gutes beabsichtigt und dann daran gehindert wird, öffnet Allāh einen anderen Weg dies zu tun.

In diesem Falle können Sie dank der wachsenden Online-Netzwerke islamischer Studien einen einfachen Kurs besuchen, um Ihre Inspiration aufrecht zu halten, oder Sie widmen sich gleich tiefgehenden spirituellen Kursen. Auf diese Weise stellen Sie Ihre Eltern zufrieden und schreiten zeitgleich in der Wissenssuche voran. Informieren Sie sich z. B. über die Seekers Guidance-Kurse im Internet um zu sehen, ob Sie von etwas profitieren können.

 

Vortrefflichkeit den Eltern gegenüber und das gute Denken über sie

Da es Situationen gibt, in denen man den Eltern nicht Folge leisten sollte, kann man als “gut” angesehen werden wenn man ihnen auf freundliche Weise nicht folgt. Während bedingungslose Gehorsamkeit (taa't al-waalidayn) gegenüber den Eltern keine Verpflichtung im Islam darstellt, ist das Gut-sein gegenüber den Eltern eine bedingungslose Verpflichtung (birr al-waalidayn). Somit gilt man nicht als “gut”, wenn man sich ihren Anordnungen respektlos untergibt, (z. B. indem man ins eigene Zimmer rennt oder in einem ironischen Ton „Gut!” schreit, während man das tut, was sie verlangen).

Allāh der Erhabene sagt:

“Dein Herr hat geboten: «Verehret keinen denn Ihn, und (erweiset) Güte den Eltern. Wenn eines von ihnen oder beide bei dir ein hohes Alter erreichen, sage nie ´Uff´ zu ihnen, und stoße sie nicht zurück, sondern sprich zu ihnen ein ehrerbietiges Wort. Und neige gütig gegen sie den Fittich der Demut und sprich: “Mein Herr, erbarme Dich ihrer, so wie sie mich als Kleines betreuten.”“

(Qur´ān, 17:23)

Allāh der Erhabene hebt besonders unsere tiefe Schuld gegenüber unseren Müttern hervor indem er sagt:

“Und Wir haben dem Menschen für seine Eltern ans Herz gelegt – seine Mutter trug ihn in Schwäche über Schwäche, und seine Entwöhnung erfordert zwei Jahre -: «Sei dankbar Mir und deinen Eltern. Zu Mir ist die Heimkehr.“ (Qur´ān, 31:14)

Versuchen Sie positiv über Ihre Eltern zu denken und entschuldigen Sie sie, ehe Sie annehmen, dass dies aufgrund von Mangel an Rücksicht gegenüber dem Glauben passiert, oder sie Sie nicht mögen. Positives Denken (husn al-dhann) wird Ihnen im Gegenzug helfen, sie zu respektieren und Wut und Unzufriedenheit abzuwehren (was Sie, wie Sie korrekt sagten, von Allāh entfernt). Die Tatsache, dass Sie das Anschreien der Eltern als falsch empfinden und sich dafür schämen, ist ein guter Anfang. Natürlich ist auch das Suchen um Allāhs Vergebung und die der Eltern, die Bitte an Allāh um Stärke die Erhaltung Ihrer Selbstbeherrschung. Selbst wenn sie sich über Sie bei anderen beschweren oder scheinbar etwas ähnlich Unfaires Ihnen gegenüber tun, ist es mit großer Belohnung verbunden, wenn Sie damit zurecht kommen. Ihr schönes Verhalten könnte sie vielleicht im Verhalten Ihnen gegenüber umstimmen und Sie ihre Herzen gewinnen lassen. Denken Sie daran: in den meisten Fällen sind wir mit unseren Eltern nur für eine bestimmte Zeit zusammen. Vielleicht werden Sie später in der Lage sein Dinge zu tun, die Sie wollten, aber die Möglichkeit Ihren Eltern Gutes zu tun wird nicht mehr vorhanden sein.

 

Möge Allāh Ta'ala uns alle gut zu Ihm und unseren Eltern machen!

Antwort geprüft und genehmigt von Shaykh Faraz Rabbani

 

Originalquelle: http://seekershub.org/ans-blog/2009/08/13/my-parents-prevent-me-from-pra...