
Wenn der gesegnete Monat Ramadan auf die Sommermonate fällt, sind viele Muslime wegen der langen Fastentage besorgt, die ihnen bevorstehen, und freuen sich zugegebenermaßen nicht wirklich darauf, eine so lange Zeitspanne hungrig und durstig zu verbringen. Der folgende Ausschnitt aus Imam Ibn Raǧab al-Ḥanbalīs „Laṭāʾif al-maʿārif“ wird inschallah unsere Perspektive verändern und uns die große Chance erkennen lassen, die Allah, der Erhabene, uns gewährt hat, um zusätzlichen Lohn zu erlangen.
Zu den gottesdienstlichen Taten, deren Lohn bei extremer Hitze vervielfacht wird, zählt aufgrund des starken Durstes, den man in der Mittagshitze erfährt, das Fasten. Dies ist der Grund, warum Muʿādh ibn Ǧabal – möge Allah mit ihm zufrieden sein – auf seinem Sterbebett Bedauern über den Durst in der Mittagshitze ausdrückte, den er nicht mehr erleben würde, und andere der rechtschaffenen Vorgänger (salaf) sagten Ähnliches.
Es wird berichtet, dass Abu Bakr aṣ-Ṣiddīq – möge Allah mit ihm zufrieden sein – im Sommer zu fasten pflegte, nicht aber im Winter. ʿUmar – möge Allah mit ihm zufrieden sein – empfahl seinem Sohn ‘Abdullah zum Zeitpunkt seines Ablebens: „Erlange die Charaktereigenschaften wahren Glaubens“, und als erstes erwähnte er das Fasten bei starker Sommerhitze.
Qāsim bin Muhammad sagte, dass ʿĀʾischa – möge Allah mit ihr zufrieden sein – bei starker Hitze fastete. Er wurde gefragt: „Was veranlasste sie dazu, dies zu tun?“ Er erwiderte: „Sie zog Nutzen aus der Zeit vor dem Tod.“ Muǧammiʿ at-Taymī fastete im Sommer bis er ohnmächtig wurde. Eine der rechtschaffenen Frauen suchte sich für das Fasten die heißesten Tage aus. Als sie diesbezüglich gefragt wurde, sagte sie: „Wenn der Preis günstig ist, kauft jeder“, was darauf hindeutet, dass sie diejenigen Taten bevorzugte, zu denen nur wenige in der Lage waren, da sie ihnen zu schwierig sind. Dies ist ein Zeichen von großer Entschlossenheit.
Abu Mūsā al-Aschʿarī– möge Allah mit ihm zufrieden sein – befand sich auf einem Boot, als er hörte, wie jemand dreimal rief: „O ihr Leute an Bord, steht auf!“ Abu Mūsā – möge Allah mit ihm zufrieden sein – erwiderte: „Wie sollen wir aufstehen? Siehst du nicht, wo wir sind? Wie sollen wir aufstehen?“ Der Rufer fragte: „Soll ich euch nicht über ein Gebot unterrichten, welches Allah sich selbst auferlegt hat?“ Er erwiderte: „Selbstverständlich, warum nicht? Unterrichte uns!“ Der Rufer sagte: „Allah erlegte es sich selbst auf, demjenigen am Tag der Auferstehung zu Trinken zu geben, der für das Wohlgefallen Allahs an einem heißen Tag durstet.“ Deshalb suchte Abu Mūsā – möge Allah mit ihm zufrieden sein – extrem heiße Tage aus, an denen man beinahe ohnmächtig wurde, und fastete diese.
Kaʿb sagte, dass Allah, der Erhabene, zu Mūsā – Allah schenke ihm Heil – sagte: „Ich habe es Mir selbst zur Pflicht gemacht, am Tag der Auferstehung den Durst dessen zu stillen, der für Mein Wohlgefallen gedurstet hat.“ Andere sagten: „In der Thora steht geschrieben: ‚Frohe Botschaft demjenigen, der hungert als Vorbereitung für den großen Tag, an dem sein Hunger gestillt wird! Frohe Botschaft demjenigen, der durstet als Vorbereitung für den großen Tag, an dem sein Durst gestillt wird.‘“
Ḥasan sagte: „Eine Jungfrau des Paradieses wird zu einem Gottesfreund sagen, während er mit ihr am Ufer eines Flusses aus Wein im Paradies liegt, sie ihm einen Becher reicht und er sich am Höhepunkt des Genusses befindet: „Weißt du, an welchem Tag Allah mich mit dir verheiraten ließ? Er sah dich an einem langen Sommertag, als du unter der Mittagshitze durstetest. Er drückte Seinen Stolz gegenüber den Engeln aus, indem Er sagte: ‚Schaut euch Meinen Diener an. Er ließ seine Frau, den Genuss, das Essen und das Trinken für Meine Zufriedenheit, das anstrebend, was bei Mir ist. Werdet Zeuge, dass Ich ihm vergeben habe.‘ An jenem Tag vergab Er dir und verheiratete dich mit mir.“
Als ʿĀmir ibn ʿAbd Qays von Basra nach schām ging, bat ihn Muʿāwiya – möge Allah mit ihm zufrieden sein , seine Bedürfnisse darzulegen. Er verweigerte dies, indem er schließlich sagte: „Mein Bedürfnis ist es, dass du mir die Hitze von Basra zurückzugibst, um mir das Fasten ein wenig zu erschweren, denn in deinen Ländereien ist es zu einfach.“
Ḥaǧǧāǧ schlug sein Lager auf einer Reise zwischen Mekka und Medina nahe einer Wasserstelle auf und verlangte sein Abendmahl. Er sah einen Beduinen, den er sodann zum Essen einlud. Der Beduine antwortete: „Jemand, der besser ist als du, hat mich eingeladen, so nahm ich seine Einladung an.“ Er fragte: „Und wer ist dies?“ Der Mann erwiderte: „Allah. Er lud mich zum Fasten ein, und so faste ich.“ Ḥaǧǧāǧ fragte: „Bei dieser enormen Hitze?“ Der Mann erwiderte: „Ja. Ich faste als Vorbereitung für einen noch viel heißeren Tag.“ Ḥaǧǧāǧ sagte: „Brich dein Fasten heute und faste morgen.“ Der Mann sagte: „Nur wenn du mir garantieren kannst, dass ich bis morgen noch leben werde.“ Ḥaǧǧāǧ sagte: „Dies liegt nicht in meiner Hand.“ Er erwiderte: „Wie kannst du mich dann bitten, jetzt etwas zu tun anstelle von etwas in der Zukunft, über das du keine Kontrolle hast?“
Ibn ʿUmar – möge Allah mit ihm und seinem Vater zufrieden sein – befand sich einst auf einer Reise mit einigen seiner Gefährten, als sie gerade ihr Tischgedeck ausgebreitet hatten. Da zog ein Hirte vorbei, und so luden sie ihn zum Essen ein. Er sagte: „Ich faste.“ Ibn ʿUmar – möge Allah mit ihm und seinem Vater zufrieden sein – sagte: „Du fastest an einem solch heißen Tag, während du zwischen diesen Tälern die Schafe treibst?“ Der Hirte sagte: „Ich ziehe Nutzen aus meinen freien Tagen.“ Ibn ʿUmar war beeindruckt von dieser Antwort und sagte: „Kannst du uns eines deiner Schafe verkaufen? Wir werden dir von seinem Fleisch zu essen geben, mit dem du dann dein Fasten brechen kannst, und wir werden dich dafür bezahlen.“ Der Hirte sagte: „Sie gehören nicht mir, sie gehören meinem Besitzer.“ Ibn ʿUmar – möge Allah mit ihm und seinem Vater zufrieden sein – sagte: „Was wird dein Besitzer sagen, wenn du ihm erzählst, dass es vom Wolf gefressen wurde?“ Der Hirte ging hinfort, den Finger himmelwärts gerichtet, und sagte: „Was ist mit Allah?“ Ibn ʿUmar – möge Allah mit ihm und seinem Vater zufrieden sein – wiederholte diesen Ausspruch des Hirten. Als er Medina erreichte, suchte er den Besitzer des Hirten auf und kaufte ihn und sein Schaf. Er befreite den Hirten und schenkte ihm das Schaf.
Rawḥ ibn Zīnbaʿ machte an einem sehr heißen Tag an einem Ort zwischen Mekka und Medina Halt, als ein Hirte von einem Berg hinabstieg und auf ihn zukam. Er sagte zu ihm: „O du Hirte! Komm und iss mit mir.“ Der Hirte sagte: „Ich faste.“ Rawḥ sagte: „Du fastest bei dieser Hitze?“ Der Hirte erwiderte: „Soll ich meine Tage unnütz verstreichen lassen?“ Rawḥ sagte: „Du hast deine Tage weise eingesetzt, o Hirte, während Rawḥ ibn Zīnbaʿ seine vergeudet hat.“
Ibn ʿUmar – möge Allah mit ihm und seinem Vater zufrieden sein – fastete freiwillig, bis er beinahe in Ohnmacht fiel, doch er brach sein Fasten nicht. Imam Aḥmad fastete, bis er drohte, bewusstlos zu werden, und strich sich Wasser über das Gesicht. Er wurde über eine Person gefragt, die fastet, es aber extrem heiß findet. Er sagte: „Es gibt nichts daran auszusetzen, ein Tuch zu befeuchten, um sich abzukühlen, und sich mit Wasser zu übergießen.“ Der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Heil – war an einem Ort namens ʿArǧ, an dem er Wasser über sein Kopf goss, während er fastete.
Abu ad-Dardāʾ – möge Allah mit ihm zufrieden sein – sagte: „Faste die extrem heißen Tage als Vorbereitung für den Tag der Auferstehung. Bete zwei rakʿa in der Dunkelheit der Nacht als Vorbereitung für die Dunkelheit des Grabes.“ In Ṣaḥīḥ al-bukhārī und Ṣaḥīḥ Muslim wird von Abu ad-Dardāʾ – möge Allah mit ihm zufrieden sein – überliefert: „Wir befanden uns mit dem Gesandten Allahs ﷺ auf einer seiner Reisen an einem sehr heißen Tag. Ein Mann legte seine Hand auf seinen Kopf wegen der starken Hitze. Niemand fastete außer dem Gesandten Allahs ﷺ und ‘ʿAbdullāh ibn Rawāḥah – möge Allah mit ihm zufrieden sein –.“ In einer anderen Überlieferung hießt es: „Dies war während des Monats Ramadan.“
Für diejenigen, die für Allah in der Hitze fasten und ihren starken Durst geduldig ertragen, bestimmt Er ein eigenes Tor zum Paradies: das Tor rayyān. Wer durch dieses Tor eintritt, wird trinken; und wer trinkt, nachdem er eingetreten ist, wird nie wieder durstig sein. Nachdem sie hindurchgegangen sind, wird es für diejenigen, die nach ihnen kommen, verschlossen werden, und niemand wird durch es eintreten außer ihnen.
Möge Allah, der Erhabene, uns die Fähigkeit geben, den gesegneten Monat Ramadan wertzuschätzen, unsere gottesdienstlichen Taten annehmen und uns mit dem zusätzlichen Lohn für das Fasten an langen Sommertagen segnen. Amīn.
AL-HABIB PUBLICATIONS
Originalquelle: http://seekershub.org/blog/2013/06/virtues-of-fasting-in-the-summer-take...’