Datum: 
09.07.2016

Schwache Ahadiṯ in Ṣaḥīḥ al-Buḫārī?

 

Frage: Schwache Ahadiṯ in Ṣaḥīḥ al-Buḫārī

Beantwortet von Shaykh Gibril Haddad:

Ibrahim ibn Ma‘qil sagte: „Ich hörte Muhammad ibn Isma‘il al-Buḫārī sagen: ´Ich war mit Ishaq ibn Rahuyah als ein Mann sagte: ‚Wieso stellst du nicht ein Werk über den prophetischen Weg zusammen?‘ Dies ist in meinem Kopf geblieben und war der Grund, warum ich dieses Buch verfasst habe (das Ṣaḥīḥ-Werk).´“
Aḏ-Ḏahabī sagte: „Es ist über zwei starke Überlieferungswege erzählt worden, dass al-Buḫārī sagte: ‚Ich verfasste dieses Buch aus etwa 600.000 Überlieferungen, schrieb es über sechzehn Jahre lang und machte es zu einem Beweis für das, was zwischen mir und Allāh ist.‘“

Al-Firabri sagte: „Muhammad ibn Isma‘il sagte zu mir: ´Ich habe niemals eine Überlieferung in das Ṣaḥīḥ einbezogen, ohne zuvor eine große Waschung, Ghusl zu machen und zwei Rak‘at zu beten.´“

An-Nawawī sagte: „Die Gelehrten sind sich einig, dass die höchst authentischen aller Hadiṯ-Sammlungen die zwei Ṣaḥīḥ-Sammlungen, die von al- Buḫārī und von Muslim, sind und die überwältigende Mehrheit ist sich einig, dass das verlässlichere und nützlichere der beiden Werke jenes von al-Buḫārī ist.“

Er setzte fort: „Die Gesamtheit der Überlieferungen beträgt 7275 mit Wiederholungen und ungefähr 4000 ohne.“

In seinem Kitab al-Tatabbuʿ argumentiert al-Daraqutni über die Schwäche von 78 Überlieferungen in al-Buḫārī, 100 in Muslim, und 32 in beiden basierend auf der Kritik am Isnād (Überlieferungskette) und am Matn (überlieferter Text).

An-Nawawī sagte: „Die zwei Ṣaḥīḥ (=Ṣaḥīḥayn) unterscheiden sich von allen anderen Büchern nur in Bezug darauf, dass ihr Inhalt saḥīḥ ist und keiner weiterer Überprüfung unterliegt.“

Ibn al-Ṣalāḥ sagte: „Alles was nur al-Buḫārī oder nur Muslim überliefert, befindet sich (auch) in der Kategorie dessen, was definitiv als saḥīḥ gilt, mit Ausnahme einiger weniger Berichte, gegen welche von einigen Experten Einsprüche erhoben wurden - wie beispielsweise al-Daraqutni und andere - und diese sind unter den Spezialisten bekannt.“

Er sagte das, nachdem er darlegte, dass jenes worüber sich die Gelehrten einig sind, als „definitiv saḥīḥ“ (maqtu`un bi-ṣiḥḥatihī) für die Umma gilt. Imam an-Nawawī lehnte den Begriff „definitiv saḥīḥ“ ab und gab indessen allem, was in den Saḥīḥayn ist, die Stufe „stark angenommen (saḥīḥ) solange es nicht mutawātir ist“ (yufīdu al-ẓanna mā lam yatawātar), so wie es bei allen saḥīḥ einzeln überlieferten (aḥad) Ahadiṯ gilt.

Ibn Kaṯīr hingegen war hier anderer Meinung: „Ich stimme mit Ibn al-Ṣalāḥ in seiner Schlussfolgerung und seinen Richtlinien überein und Allāh weiß es am besten.“

As-Suyūṭī zitiert in Tadrīb al-Rāwī Ibn Kaṯīr wörtlich und behauptet: „Und das ist auch meine Meinung und keine andere.“ Dem ist so aufgrund des Standes der Ṣaḥīḥayn in der Umma und weil keiner der früheren Imame im Islam jemals alles, was er in seinen jeweiligen Büchern gesammelt hat, ausdrücklich und mit Recht als Ṣaḥīḥ erklärt hat - mit Ausnahme von al-Buḫārī und Muslim, wobei die prüfenden Experten ihre Behauptungen bestätigt haben.

As-Suyūṭī sagte außerdem: „Shaykh al-Islām sagte: ´Was An-Nawawī in Šarḥ Ṣaḥīḥ Muslim erwähnt, basiert auf der Ansicht der Mehrheit: was aber nicht für alle der prüfenden Autoritäten (al-Muhaqqiqun) gilt. Denn die prüfenden Autoritäten stimmten Ibn al-Salah zu.´“

Mit „Shaykh al-Islām“ meint As-Suyūṭī den mustergültigen Hāfiẓ und tadellosen Imam Ibn Haǧar al-‘Asqalani und sein Buch „Al-Nukat ‘ala Ibn al-Ṣalāḥ“. As-Suyūṭī geht bei seinen Angaben weiter ins Detail der Widerlegung von Ibn Haǧar zu al-Daraqutnis Kritik, und zeigt eigentlich, dass Letzterer daran scheitert, die Ansicht, dass die beiden Saḥīḥ-Werke 100% saḥīḥ sind, zu entkräften.

Die Wahrheit ist, dass sie alle saḥīḥ sind, aber nicht jede Überlieferung den höchsten saḥīḥ-Grad erreicht. Das ist die Schlussfolgerung, die aḏ-Ḏahabī bezüglich der wenigen Überlieferungen aus den Ṣaḥīḥayn zieht, deren Authentizitätsgrad fraglich war. „Keine Überlieferung ist unter dem Rang von ḥasan anzusiedeln, welchen wir auch als den untersten Rang von saḥīḥ bezeichnen könnten.“

Shaykh Abu Ghudda kommentiert am Rand: „Das ist eine eindeutige Bestätigung, dass sich al-Buḫārī und Muslim bezüglich der Überlieferungen in ihren Büchern nicht selbst einschränkten, nur Ahadiṯ mit dem höchsten Grad an sihha zu überliefern.“

Und wieder erklärt er in seinem Appendix (S. 144): „Unser Shaykh, ‘Allama Ahmad Shakir – Möge Allāh ihm barmherzig sein – sagte: ´Die Wahrheit ohne jeden Zweifel unter den Prüfern, die Wissen zu den Hadiṯwissenschaften besitzen, ist, dass die Ahadiṯ aus den zwei Ṣaḥīḥ-Werken alle authentisch sind und nicht ein einziger davon Grund für eine echte [hadithwissenschaftliche] Schmälerung oder Schwäche ist. Was al-Daraqutni und andere kritisiert haben, war bloß, dass es nicht den hohen Kriterien entspricht, die beide in ihren Büchern definiert haben. Dem Kriterium der Authentizität der Ahadiṯ in ihnen wurden ihr beide gerecht.´“

Auch Dr. Badi‘ al-Sayyid al-Lahham beendet die Diskussion in seiner Ausgabe von Ibn Kathir‘s al-Ba‘ith al Hathith (S. 44-45) über das Thema der Ṣaḥīḥayn mit denselben Worten, aber ohne sie Shakir zuzuschreiben. Abu Ghudda schlussfolgert (S. 145). „All diese Texte zeigen, dass das Meiste, was in Ṣaḥīḥ al-Buḫārī und Ṣaḥīḥ Muslim ist, von höchstem saḥīḥ-Grad ist, und nur einiges davon nicht dem höchsten saḥīḥ-Grad entspricht.“

Mehr zu diesem Punkt sagte unser Lehrer Dr. Nur al-Din ‘Itr in seinem Handbuch Manhaj al-Naqd fi ‘Ulum al-Hadiṯ: “Bezüglich der Ahadiṯ aus den Ṣaḥīḥayn ist zu sagen, dass sie alle saḥīḥ sind.”

Alle zuvor genannten Gelehrten – Ibn al-Salah, an-Nawawī, aḏ-Ḏahabī, Ibn Kaṯīr, Ibn Haǧar, as-Suyūṭī, Ahmad Shakir, Abu Ghudda, ‘Itr, al-Lahham – sind sich einig in der Aussage, dass alles in al-Buḫārī und Muslim saḥīḥ ist.

Mit Ausnahme von an-Nawawī korrekt bestätigter Abweichung betrachten die prüfenden Autoritäten (Muhaqqiqun) wie Ibn al-Ṣalāḥ, Ibn Kaṯīr, Ibn Haǧar und as-Suyūṭī alle darin enthaltenen Ahadiṯ als so stark, dass sie dieselbe Beweiskraft wie mutawātir Ahadiṯ haben.

Eine weitere Prüfung der Aussagen der großen Hadiṯ-Gelehrten würde nur noch mehr Namen zu dieser bedeutenden Liste hinzufügen.

 

Die Fragen, die oft gestellt werden sind:

(1) ob alle Gelehrten des Hadiṯ übereinstimmen, dass alle Ahadiṯ in al-Buḫārī und Muslim saḥīḥ sind

oder

(2) ob es Gelehrte gibt, die es für möglich halten, dass darin einige schwache Überlieferungen enthalten sind

und

(3) ob jemand, der glaubt, dass „die Ṣaḥīḥayn nicht 100% saḥīḥ sind“ ein Erneuerer (mubtadiˇ)ist.

Wie bereits gezeigt, beantworteten einige der größten Hadiṯ-Gelehrten wie Ibn al-Salah, Ibn Kaṯīr und as-Suyūṭī die erste Frage mit Ja….
Aber Imam al-Daraqutni sagte, dass eine kleine Anzahl nicht diese hohe Stufe erreichen könnte, sodass die Antwort zur zweiten Frage auch Ja lauten muss. Dennoch wurde ein Einwand (gegen die Authentizität der beiden ṣaḥīḥ-Werke) nach dem anderen von Ibn Haǧar zu Beginn seines Werkes „Fatḥ al-Bārī“ und von Imam an-Nawawī zu Beginn seines „Šarḥ ṣaḥīḥ Muslim“ widerlegt.

Die kurze Darlegung „ob die Ṣaḥīḥayn 100% saḥīḥ sind oder nicht“ bleibt heikel und verwirrend; die Umma war im Großen und Ganzen – durch den Konsens der Rechtsgelehrten in vielen aufeinanderfolgenden Generationen – in Sicherheit darüber, dass sie es sind.

Diese Schlussfolgerung schließt aber die ohne oder mit lückenhaften Ketten überlieferten Aussagen aus, sowie Aussagen ohne Quellenangabe, welche manchmal von al-Buḫārī in seinen Kapitel-Überschriften oder im Anhang zu gewissen Überlieferungen angeführt wurden. (…)

Die obige Aussage bestärkt die Position, dass die Aussage „alles, was in den beiden Ṣaḥīḥ-Werken zu finden ist, ist auch stark authentisch“ nur für Berichte mit vollständigen Überlieferungsketten gilt, die eindeutig dem Propheten (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) zugeschrieben wurden.

 

Quelle: livingislam.org