Datum: 
31.03.2015
Kategorie: 

„Ein Wunder bitte!“

Von Reehab Ramadan

Sie stand allein auf der Dachterrasse und schaute hinauf in den Nachthimmel mit Tränen in den Augen, welche sich weigerten, zu fließen. Denn diese waren schon zu lange geflossen. Sie fragte Ihn: „Allah, liebst du mich noch?“ Sie horchte nach einer Antwort, doch sie hörte nichts. Es kam kein Zeichen von oben. Und keine Botschaft war in den Wolken zu sehen. Sie wollte ein Wunder. Sie wollte sehen, wie die Antwort auf ihre Frage vor ihr offengelegt wird. Was sie jedoch nicht bemerkte war, dass Seine Antwort bereits überall um sie herum war. Sie musste nur ihre Augen öffnen, um sie zu erkennen. Oft rufen wir Allah und beten für ein Wunder oder dafür, dass sich etwas drastisch und im selben Augenblick ändern soll – doch wir schauen uns um und sehen nichts. Wir leben weiter in einer Welt ohne Wunder, und ständig durchschreiten wir Tage ohne Wunder. Die Wahrheit ist: Es ist nicht so, dass es keine Wunder mehr gibt, sondern vielmehr lehnen wir ab, sie als das zu erkennen, was sie wirklich sind.

Unser geliebter Prophet (Allah segne ihn und schenke ihm Heil) stand eines Morgens vor den Menschen und erzählte ihnen von einer Reise, welche er in der Nacht zuvor erlebt hatte. Er erzählte ihnen von der Nacht- und Himmelsreise (al-Isra wal-Mi‘raj), in welcher er durch Länder reiste und zu einem heiligen Treffen mit seinem Herrn in den Himmel aufstieg. Die Menschen, die dieser Erzählung zuhörten, teilten sich in zwei Gruppen: diejenigen, die von diesem Wunder überzeugt waren, es akzeptieren und mit offenem Herzen begrüßten, und diejenigen, welche die Möglichkeit einer solchen Reise ablehnten und dieses Wunder gänzlich leugneten. Die Leute, die dieses Wunder akzeptierten, wurden sofort mit dem herrlichen Gefühl von Ehrfurcht und Liebe zu dem gesegnet, der dieses Wunder ermöglichte. Jenen aber, die das Wunder leugneten, wurde weder ein solches Gefühl der Ehrfurcht und Liebe zuteil, noch fanden sie sich in einer wunderhaften Situation, in der wir uns alle eines Tages einmal wiederfinden wollen. Jeden Tag spielt sich das gleiche Szenario auf kleinere aber gleichsam wunderhafte Weise ab. Und jeden Tag können wir uns entscheiden, zu welcher Gruppe wir gehören: Diejenigen, welche an die Wunder glauben und sofort belohnt werden, oder jene, welche die Wunder leugnen und mit leeren Händen ausgehen. Was wir jedoch nicht begreifen ist, wenn wir die Wunder ablehnen, welche jeden Tag vor unseren Augen geschehen, dann lehnen wir damit ihre Auswirkung auf unser Leben ab und werden weiterhin um Hoffnung ringen.

Wann immer wir uns auch in einer schwierigen Situation befinden, ist die erste und wichtigste Sache, an die wir uns erinnern sollten, egal was passiert: Nichts, was wir von uns selbst aus tun, wird irgendeine nutzbringende Änderung hervorrufen. Der einzige in unserem Leben, der eine Veränderung bewirken kann, ist Allah selbst – wenn Er es will und durch Seine Macht, nicht unsere. Mit diesem Gedanken beginnen wir unsere Bemühung mit spirituellen Taten anstatt mit körperlichen Taten. Bevor wir auch nur einen Muskel bewegen, wenden wir unsere Herzen und Gedanken Ihm zu – gepriesen und erhaben ist Er – und bitten Ihn um ein Wunder. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir keine eigenen Mühen in die Verbesserung unserer Situationen investieren sollen, vielmehr bedeutet es, dass wir erkennen, dass unsere Handlungen nur ein Mittel sind. Nicht das Mittel ist es, welches die Situation ändert, sondern im Wunder selbst liegt die Veränderung. In diesem Sinne ist keine Situation unlösbar, kein Problem mehr zu groß und keine Hoffnung zu gewagt. Ebenso teilt Allah uns mit, dass Er „so ist, wie wir von Ihm denken“. Wenn wir nicht mit voller Überzeugung daran glauben, dass Allah unsere Situation ändert, dann wird Er es auch nicht. Wenn wir nicht davon ausgehen, dass wir in unserem tagtäglichen Leben Wunder wahrnehmen werden, dann werden wir es auch nicht. Wenn wir nicht überzeugt sind, dass Er – gepriesen und erhaben ist Er – unser Leben auf wundersame Weise vom Abgrund des Elends zu einem Leben der Liebe und des Gottesdienstes hin verändern kann, dann wird Er es auch nicht tun. Wenn wir von ganzem Herzen an die Wunder unseres Herrn glauben, dann werden wir anfangen, sie an jedem einzelnen Tag unseres Lebens wahrzunehmen.

Wunder müssen nicht unbedingt eine Botschaft in den Wolken oder ein glasklarer Traum sein. Vielmehr kann man Wunder selbst in den kleinsten Dingen sehen. Es kann dieser Moment sein, wenn wir uns zu schwach fühlen, die Last auf unseren Schultern zu tragen, und dann zeigt Er uns eine Ameise, die ein Vielfaches ihrer eigenen Größe trägt, um uns daran zu erinnern: Wenn Er uns schon hier her gebracht hat, dann wird Er uns auch hindurch helfen. Man kann sie sehen, etwa in dieser entsetzlichen Angst, die wir empfinden, wenn wir merken, dass wir vergessen haben, den Herd auszuschalten und unser Haus mit Sicherheit abbrennen wird, und wir dann nach Hause eilen, um zu sehen, dass es durch den Regen zu einem Stromausfall kam, wodurch unser Haus und unser Ansehen als Koch bewahrt blieben! Man kann sie sehen in Zeiten, wenn wir meinen, dass unser Glaube am tiefsten Punkt angelangt ist, und Er uns mit Leuten segnet, die uns genau die Erinnerungen geben, die wir brauchen, in genau der Art und Weise, die für uns nötig ist. Das sind nicht alles „Zufälle“, vielmehr sind es Wunder des Einen, der über uns ist, die uns Ihm näher bringen. Aber natürlich kommt es ganz darauf an, wie wir die Sache betrachten.

Übungsaufgabe: Versuche es selbst. Halte deine Augen in den nächsten Tagen offen für Seine Wunder und zögere nicht, darum zu bitten. Du wirst sehen, dass sie überall sind – wir müssen einfach nur aufwachen und ihnen Beachtung schenken.

 

Originalquelle: http://www.suhaibwebb.com/relationships/withthedivine/a-miracle-please/

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