Datum: 
27.07.2017
Kategorie: 

Der Fiqh andauernder Entschuldigungsgründe und die rituelle Waschung

Beantwortet von šayḫ Faraz Rabbani

Frage: Können Sie bitte den Fiqh islamisch begründbarer, andauernder Entschuldigungsgründe und ritueller Waschung detailliert erklären?

Antwort: Wenn ein islamisch begründbarer, andauernder Entschuldigungsgrund (´uḏr) für einen Reinheitsverlust besteht, z.B. aufrgund einer Urin- oder Kotinkontinenz, so sollte man

1) die Gebetswaschung (Wuḍū) zu jeder Pflichtgebetszeit (Farḍ) vollziehen und

2) mit diesem Wuḍū so viele Pflichtgebete oder freiwillige Gebete (nawāfil) beten, wie man möchte.

Von ʿĀʾiša wird überliefert, dass der Gesandte, Allāh segne ihn und schenke ihm Heil, zu Fāṭima Bint Ḥubayš sagte: „Vollziehe das Wuḍū zu jeder Gebetszeit!“

Das Wuḍū einer Person, die unter chronischem Reinheitsverlust leidet, wird nur dann ungültig, wenn:

1) die Gebetsfrist (festgelegte Zeitspanne für das pünktliche Verrichten eines Pflichtgebetes) verstreicht oder

2) etwas eintritt, was das Wuḍū, abgesehen von dem gegebenen Grund, ungültig  macht.
(Vgl. aš-šurunbulālī,  'Imādul-fattāḥ fī šarḥ Nūrul-Iḍāḥ, S. 145,146)

Die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um den Status des andauernden Entschuldigungsgrundes geltend zu machen,  sind dreierlei:

1) Die Bedingung der Aufnahme (Initiierung): Eine ganze Gebetsfrist vergeht, in der der Entschuldigungsgrund für den Reinheitsverlust besteht, ohne dass es einem möglich ist, sein Wuḍū aufrechtzuhalten, und man keine Zeit hatte, die Mindestbestandteile des Wuḍū zu vollziehen und ein schnelles Gebet zu verrichten.

Sollte während der Gebetsfrist eine Blutung auftreten, so wartet man in der Hoffnung darauf, dass die Blutung bis zum Ende der Gebetsfrist aufhört (oder bis ganz kurz vor der verpönten Zeit im Falle des Nachmittagsgebetes [‘Aṣr]) und betet dann sofort nach Verrichten der Gebetswaschung (Wuḍū) und bemüht sich darum, die Blutung zu stoppen oder zu minimieren).

2) Die Bedingung des Andauerns: Um den Status eines andauernden Entschuldigungsgrundes zu erhalten, ist es lediglich notwendig, dass der Hinderungsgrund mindestens einmal je Gebetsfrist auftritt. (Dies verdeutlicht der rechtliche Grundsatz „Das Fortführen ist einfacher als das Aufnehmen (Beginnen).“

3) Die Bedingung der Beendigung: Wenn nach Verstreichen einer ganzen Gebetsfrist der Hinderungsgrund nicht eintritt, so ist man rechtlich nicht länger entschuldigt und daher nicht mehr berechtigt, die entsprechende Befreiung in Anspruch zu nehmen. (Vgl. Alā’ ad-Dīn ‘Ābidīn, Geschenke der Rechtleitung)

Es ist unbedingt notwendig, sich aller zumutbaren Mittel zu bedienen, um die Gründe, die das Bewahren des Wuḍū verhindern, zu beseitigen. Wenn es also möglich ist, den Hinderungsgrund zurückzuhalten, indem man beispielsweise sitzend betet, um so abgehende Blähungen zu unterdrücken, dann muss man sitzend beten. (vgl. ibid)

Faraz Rabbani